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Einsamkeit: Die unbekannte gesellschaftliche Not!

Durch meine Gespräche mit Menschen merke ich immer wieder, wie wenig die gesellschaftliche Herausforderung mit Einsamkeit bekannt ist, deswegen hier dazu einige Informationen:

Durch meine Arbeit in Karlsruhe über viele Jahre hinweg wurde ich immer wieder mit der Einsamkeit von Menschen konfrontiert. Diese Erfahrung hat mich zunehmend für deren Not sensibilisiert. In einer Zeit, in der Flexibilität und Mobilität gefragt sind, bleiben gefühlt Beziehungen schnell auf der Strecke. Gerade in Städten verdammt die Masse den Einzelnen zur Anonymität. Mehr und mehr herrscht Beziehungsarmut. So gehört Einsamkeit mittlerweile zu den Top drei Themen in der Telefonseelsorge (Nettling 2018). Denn Einsamkeit ist nicht nur ein Problem des hohen Alters. Man hat 500 »Freunde« bei Facebook aber trotzdem niemanden zum Reden.

Auch wenn ein Singlehaushalt nicht mit Einsamkeit gleichgesetzt werden darf, kann doch an der Wohnform ein Trend abgelesen werden: Die Zahl der Alleinlebenden in Deutschland ist von 2007 auf 2017 um 12,4% gestiegen. So gibt es seit einigen Jahren in vielen deutschen Städten mehr Singlehaushalte als alle Paar- und Familienhaushalte oder Lebensgemeinschaften zusammen! Exemplarisch: Aktuell liegt die Zahl der Einpersonenhaushalte in der Innenstadt Karlsruhe laut Statistikatlas 2018 bei fast 71%.

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Auf der anderen Seite wurde der Auswirkung von Einsamkeit lange Zeit wenig Beachtung geschenkt, wenn nicht gar unterschätzt. Eine große Längsschnitt-Metastudie mit fast 3,5 Millionen Menschen kam aber zu dem aktuellen Ergebnis, dass soziale Isolation unter statistischer Kontrolle anderer Einflussfaktoren das Sterblichkeitsrisiko um satte 29 % erhöht (Holt-Lunstad et al. 2015). In einer anderen Studie werden sogar die negativen Folgen von chronischer Einsamkeit für die Gesundheit mit der Schädlichkeit von 15 Zigaretten pro Tag verglichen (Holt-Lunstad et al. 2010). So wird in dem Zusammenhang auch schon von einer wenig beachteten »Epidemie« und »Volkskrankheit« gesprochen, die sich in unserer Gesellschaft ausbreitet und viele Menschen krank macht (Spitzer 2018). Wie tief Einsamkeit bzw. Gemeinschaft in uns verankert ist, zeigt sich auch darin, dass Einsamkeit (soziale Exklusion) eine ähnliche Gehirnregion aktiviert, wie die, welche für körperlichen Schmerz zuständig ist (Eisenberger et al. 2003). Einsamkeit tut also wirklich weh!


Neben dem negativen Einfluss der Einsamkeit auf die persönliche Gesundheit und das individuelle Wohlergehen ist Einsamkeit ebenfalls ein gesellschaftliches Problem. So zeigte eine Studie, dass Einsamkeit »zersetzend« auf die Gesellschaft wirkt und eine »destruktive« Auswirkung auf die (politische) Stabilität eines Landes nach sich ziehen kann (Schobin 2018). Außerdem verändert Einsamkeit die Art und Weise, wie Menschen ihre Umwelt wahrnehmen: Einsame Individuen neigen stärker dazu, Mitmenschen als Bedrohung zu betrachten (Hawkley & Cacioppo 2010). Einsamkeit hat also auch sichtbare Auswirkungen auf das soziale Miteinander und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die gesellschaftliche Relevanz des Themas für Europa zeigt sich auch darin, dass Theresa May in Großbritannien 2018 sogar eine offizielle »Einsamkeitsministerin« eingesetzt hat und Länder wie Dänemark oder Australien öffentliche Kampagnen für eine gute Gemeinschaft finanzieren. In Deutschland stehen wir hier noch eher am Anfang.

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Zunehmend akzeptieren aber Politiker, Ärztinnen und Nachbarn es nicht mehr, dass es Menschen gibt, die wochenlang niemanden zum Reden haben. So wie man es irgendwann nicht mehr hingenommen hat, dass Menschen keinen Arzt bezahlen oder nicht richtig lesen und schreiben können. In diesem Sinne möchten wir zur Aufklärung beitragen und über das Phänomen Einsamkeit informieren bzw. für diese zunehmende gesellschaftliche Not sensibilisieren. Einsamkeit ist real, ungesund und breitet sich aus. Es sind mehr Menschen und stärker davon betroffen als man vielleicht denkt. Dürfen wir Sie also dazu einladen sich mit uns dafür einzusetzen, dass die Einsamkeit in unserem Land weniger wird?

                                                                 Ihr  Johannes Vorherr​

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PS: lesen Sie hier den Unterschied zwischen Allein-Sein, Einsamkeit und sozialer Isolation.

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Allein oder Einsam?

Der Wert von Gemeinschaft

Links, Zahlen, Quellen und Material

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